Die ARC – Vorbereitung und Start der Atlantiküberquerung

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Die Atlantic Rally for Cruisers (ARC) ist eine Regatta von 225 Segelschiffen über den Atlantik von Gran Canaria nach St. Lucia in der Karibik. Sie wurde vor 20 Jahren von Jimmy Cornell ins Leben gerufen und findet seit dem regelmäßig Ende November statt. Die meisten Teilnehmer sind Fahrtensegler, aber es gibt auch eine Racing Division mit entsprechenden Regeln. Die Schiffe sind sehr unterschiedlich. Das längste Schiff im Wettbewerb ist 20 m und das kleinste 9,75 m lang. Wir gehören mit 11,9 m Länge zu den kleinen, aber nicht zu den langsamsten. Unser Zeit-Korrekturfaktor beträgt auf Grund unsere Bootsdaten 0,948. Zum Vergleich: der schnellste hat 1,48 und der langsamste 0,756.

Zur ARC gehört ein umfangreiches Rahmenprogramm, das zwei Wochen vor dem Start beginnt. Es ist wie auf einer internationalen Konferenz. Es gibt Vorträge, Empfänge, diverse Treffen (Happy Hour) und Ausflüge in die Umgebung. Jedes Schiff wird auch einer Sicherheitsprüfung unterzogen, die wir , von kleinen Verbesserungsvorschlägen abgesehen, auf Anhieb bestehen.

Viele Veranstaltungen besuchen wir gemeinsam mit unseren englischen Nachbarn von der Independence Freedom (Steven, Diana, Alexis, Bill) und der Lady of Lorien (Mike, Angie). Von der Independence Freedom werden wir zu einem mehrgängigen Essen an Bord eingeladen. Wilma ist sehr beeindruckt und revanchiert sich mit einem mindestens gleichwertigen Programm. Bei der Lady of Lorien gibt es einen exzellenten Kuchen aus eigener Produktion.

Fancy Dress Party mit Diana und Steve

Am 11.11. machen wir eine organisierte Busreise in den Norden von Gran Canaria und besichtigen mehrere Ortschaften, u.a. Arruca. In den höheren Gebirgslagen herrscht ein Wetter wie auf dem Feldberg im Schwarzwald. Es ist windig, nebelig und regnet zeitweise. Die Mittagspause in einem Restaurant mit wärmenden Gasöfen wird deshalb stark ausgedehnt.

Am nächsten Tag besuchen uns Gretie und Horst, Bekannte aus Göttingen. Sie leben überwiegend in ihrem Haus bei Maspalomas im Süden von Gran Canaria. Gleich am folgenden Tag fahren wir nach Maspalomas zu einem Gegenbesuch. Horst holt uns von der Bushaltestelle ab und bringt uns zu ihrem Haus auf dem Monte Leon. Es ist ein stilvolles Haus in einer schönen Wohnanlage mit einer überwältigenden Aussichtslage: uriges Gebirge, steilabfallender Hang weiter Blick aufs Meer. Wir sind sehr beeindruckt.

Die letzte Woche vor dem Start wird fast hektisch. Wir besuchen mehrere Seminare und arbeiten unsere Aufgaben ab, Wilma mit dem Schwerpunkt Versorgung und ich mit dem Schwerpunkt Ausrüstung und Wartung.

Die Segel werden kontrolliert und repariert. Bei der Kontrolle des Riggs stelle ich fest, dass der Umlenkbügel des Fockrollers im Masttopp zu 90 % durchgescheuert ist. Glücklicherweise kann der ARC-Riggexperte mir einen Bügel aus Edelstahl geben, den ich dann montieren lasse. Auch unser neues Großsegel, das Elvström unvollständig geliefert hatte, lasse ich in der Segelmacherei vervollständigen.

Bei einem Tauchgang mit dem Freediver (Tauchgerät mit Druckpumpe an Bord) will ich schnell mal den Propeller von Seepocken befreien. Der Tauchgang dauert dann aber zwei Stunden, weil mittlerweile auch der Saildrive und der Rumpf starken Bewuchs haben, den ich weitgehend entferne.

Auf Grund der bisherigen Erfahrung erhöhe ich weiter unsere Dieselkapazität. Neben den 120 l im Einbautank haben jetzt noch einmal die gleiche Menge in Kanistern, gut verstaut an mehreren Stellen des Bootes. Für unseren Obstvorrat bringe wir zwei große Netze an der Salondecke an und ein weiteres im Vorschiff.

Unsere Windfahnensteuerung (Windpilot) wird von Herrn Förthmann, dem Entwickler, Hersteller und Vertreiber dieses Systems, inspiziert und verbessert. Ich hoffe, dass der Windpilot danach jetzt besser funktioniert und wir auf unseren guten, aber sehr stromhungrigen elektrischen Autopiloten weitgehend verzichten können.

Auch der Motor wird gründlich gewartet. Ich mache Ölwechsel und tausche das Ölfilter, das Kraftstofffilter und den Impeller der Wasserpumpe aus. Beim Impeller war der Austausch dringend notwendig, denn er hatte bereits drei seiner sechs Flügel verloren. Als ich Mike gegenüber den beschädigten Impeller erwähne, kommt er gleich mit einem Buch zu mir, in dem steht, wo die abgerissenen Impellerflügel landen können, nämlich vor dem Wärmetauscher, und welcher Schaden dadurch entstehen kann. Ich finde aber keine abgerissenen Impellerflügel und gehe davon aus, dass sie in kleinere Stücke zerrieben worden sind.

Am 18.11. kommt unser Sohn Michael. Wir sind froh, dass wir auf unserem ersten großen Ozeantörn kompetente Verstärkung haben.

Sonntag, den 20.11.05, ist es endlich so weit. Ab 11 Uhr versammeln sich 225 Boote vor Startlinie. Um 13 Uhr kommt das Startsignal für die Fahrtensegler. Wir fahren um 13.02 Uhr über die Startlinie. Die Startlinie liegt offensichtlich weiter südlich, als in den Unterlagen angegeben. Viele Schaulustige beobachten das Spektakel.

ARC-Start in Las Palmas

Der Wind ist zunächst schwach. Wir setzen wie viele andere ein Leichtwettersegel (Blister). Vor uns sehen wir nach einiger Zeit mehrer Boote in entgegengesetzter Richtung krängen. Wir nehmen unser Blister herunter, und dann geht es auch schon los. Es bläst mit 30 kn aus SW , genau aus der Richtung, in die wir fahren wollen. Kein Wetterbericht hat das vorhergesagt. Wir binden zwei Reffs ins Großsegel und fahren Richtung SSE. Es kommt viel Wasser über, leider auch einiges ins Schiff. In der Nacht lässt der Wind geringfügig nach, aber wir fahren wie die anderen Richtung Afrika und wollen doch eigentlich in die Karibik. Wichtig ist für uns jedoch, dass wir nach Süden kommen, um einem Sturmtief auszuweichen.

Am nächsten Tag stellen wir fest, dass unsere Genua den Starkwind nicht überstanden hat. Die Nähte eines bereits reparierten Teils haben sich gelöst. Wir entschließen uns, die neue mitgeführte Genua zu setzen. Wilma gelingt es aber, die alte Genua mit der Nähmaschine zu reparieren. Immerhin haben wir damit für den Notfall noch ein Ersatzsegel.

Wilma repariert Vorsegel

Der Wind kommt immer noch aus SW, aber so schwach, dass wir zeitweilig mit Maschine fahren. Die Strafpunkte nehmen wir in Kauf. Später dreht der Wind auf NW, bleibt aber eigentlich zum Segeln zu schwach. Wegen des Sturmtiefs entscheiden wir uns wie viele andere für die klassische Route: von Gran Canaria nach Süden bis die Butter schmilzt, und dann immer nach Westen. Die Butter soll bei den Kap Verden schmelzen.

In der Nacht zum 24.11. haben wir endlich guten Wind (SE 4-5), aber morgens nimmt er schon wieder ab. Wir fahren wieder zeitweilig mit Maschine. Gegen 15 Uhr gibt unsere Maschine einen Warnton. Ich schalte sie sofort aus und suche nach der Ursache. Die Wasserpumpe ist heiß und hat offensichtlich kein Kühlwasser mehr gefördert. Der Impeller hat zwei Flügel verloren, die restlichen sind eingerissen. Ich demontiere den Schlauch zum Wärmetauscher und lasse jetzt  Michael nach abgerissenen Impeller-Flügeln suchen. Er findet welche. Schließlich gelingt es Michael, sechs Flügel vom Eingang des Wärmetauschers zu entfernen. Das könnte die Ursache für den erhöhten Impeller-Verschleiß und den aktuellen Fehler sein.

Ich baue einen neuen Impeller ein und starte die Maschine. Es kommt mir ein Schwall Seewasser entgegen aus einem Bereich, der vom Motorraum her nicht einsehbar ist. Ich muss in der Achterkoje ein Bodenbrett entfernen und vorher die dort gestauten Sachen ausräumen. Schließlich erkenne ich, dass der Wassersammler (verhindert Rücklauf des Auspuff-Kühlwassers in Motor) angeschmolzen und dadurch leck ist. Jetzt ist klar, die Maschine ist so nicht mehr einsetzbar. Wir entscheiden uns, die Kap Verden anzulaufen. Um dem Sturmtief auszuweichen, hatten wir ohnehin vor, relativ dicht an den Kap Verden vorbei zu fahren. Aber noch sind es mehr als 400 sm bis zur ersten Insel der Kap Verden.

Nachdenkliche Gesichter am Motor

Man kann sich  fragen, wozu  eigentlich eine Maschine auf der Passat-Route im Atlantik gebraucht wird. Notfalls geht es natürlich auch ohne. Aber die modernen Navigations- und Kommunikationsmittel und die anderen elektrischen Geräte, wie z.B. Kühlschrank, haben einen Stromverbrauch, der sich mit Solar- und Windgeneratoren während der Fahrt in der Regel nicht decken lässt. Außerdem kann die Maschine in Notsituationen sehr nützlich sein.

Am wenigsten Strom liefern die Solargeneratoren in den südlichen Breiten. Seit Gibraltar hatten wir kaum noch Sonnentage. Der Windgenerator ist meistens ein guter Stromlieferant. Nur bei den vorherrschenden achterlichen Winden bringt er auch nicht viel, weil die Windstärke um die Fahrt reduziert wird.

Am nächsten Morgen, dem 25.11., gibt es viel zu regeln. Nach Gesprächen mit den beiden TO-Stützpunktleitern (TO: Trans-Ocean, Verein zur Förderung des Hochseesegelns) auf den Kap Verden entscheiden wir uns, die Insel Sal anzulaufen. Zur Beschaffung des Wassersammlers schalten wir Ralf ein, der beim Bootsservice Jakob gleich volle Unterstützung findet. Wir wissen, dass die Sache jetzt in guten Händen ist. Es werden noch einige Punkte per E-Mail mit den Jakobs geklärt. Der Wassersammler soll am Montag, den 28.11. die Etap-Werft in Belgien verlassen und nach vier Tagen auf Sal sein.

Wir haben guten Wind in Richtung  Kap Verden, N-NE 4-5. Unseren Stromverbrauch haben wir auf ein Minimum reduziert, kein Kühlschrank, keine elektrische Winsch und nachts nur gelegentlich Navigationslichter. Den elektrischen Autopiloten hatten wir in letzter Zeit ohnehin kaum noch benutzt, weil der Windpilot nach den Verbesserungen durch Förthmann ganz gut funktioniert.

Am 27.11. haben wir gegen 18 Uhr Sal in Sicht. Jetzt trennen uns nur noch 30 sm von unserem Zielort Palmeira. Aber der Wind wird immer schwächer und schläft schließlich ganz ein. Wir dümpeln vor Sal mit 1kn Fahrt. Um 6.30, es ist noch stockdunkel, erreichen wir die Bucht von Palmeira und ankern im hinteren Feld der Ankerlieger. Karl-Heinz, der TO-Stützpunktleiter hatte uns zwar abgeraten, nachts einzulaufen, aber der Wunsch nach einem ruhigen Ankerplatz war doch stärker.

Kurz vor Mittag (Montag) fahren wir mit dem Schlauchboot an Land und treffen uns mit Karl-Heinz. Alle diese Dinge lassen sich übrigens nur so gut organisieren, weil wir mit unserem Satellitentelefon von jedem Punkt der Erde telefonieren und E-Mails senden und empfangen können.

Karl-Heinz lädt uns erst mal zu einem Punsch ein. Dann bringt er uns zur Polizeistation zur Anmeldung und danach zu seinem Haus. Es wird viel erzählt und einiges getrunken. Elisabeth, seine Frau, bereitet ein Mittagessen, es ist so als wären wir alte Bekannte. Zwischendurch kommen verschiedene Leute, aus dem Ort, aber auch von den ankernden Schiffen. Nachmittags geht Karl-Heinz mit Michael zum Einklarieren zum Hafenamt. Dann lassen wir uns von einem Fischer in den Bereich der Mole schleppen, wo der Schwell wesentlich geringer ist.

Bei Karl-Heinz und Elisabeth

Alles wird von Karl-Heinz organisiert. Abends geht er mit Michael noch zu einer Langusten-Station, wo er einen guten Mechaniker kennt. Der Mechaniker meint, dass er den Wassersammler, der aus Kunststoff ist, in Edelstahl nachbauen kann. Gerne gehe ich auf das Angebot ein, denn wir wissen nicht, wann der Wassersammler aus Belgien ankommt.

Mittwoch ist der Wassersammler schließlich fertig, aber die Anschlüsse sind vertauscht und das Volumen ist zu klein. Jetzt gehe ich mit Michael zu dem Mechaniker und beauftrage einen direkten Nachbau. Er soll morgen fertig sein.

Freitag kommt von Ralf eine SMS, dass unser Paket auf der Nachbarinsel Santiago angekommen ist. Wilma und Michael fahren gleich zum Flughafen im benachbarten Espargos, um sich weiter zu informieren. Heute Abend soll das Paket in Sal ankommen, das ist natürlich nicht der Fall.

Da wir jetzt das Ende unseres Aufenthalts auf Sal sehen, wollen wir Karl-Heinz und Elisabeth zum Essen einladen. Karl-Heinz hat aber bereits etwas anderes organisiert. Wir treffen uns mit anderen deutschen Seglern (Heinz und Sabine, Uwe und Maren, und Heiner)  in einer kleinen Bar bei Live Music und Gegrilltem. Der Bürgermeister von Palmeira singt und tanzt dazu.

Über Karl-Heinz und Elisabeth könnte man noch vieles sagen. Sie kümmern sich nicht nur vorbildlich um gestrandete Segler, sondern auch um die sozialen Belange im Ort und auf der Insel.

Samstag Mittag haben Wilma und Michael das Paket dann endlich in ihren Händen, nachdem sie Gebühren für die komplette DHL-Sendung bezahlt haben. Ich baue den Wassersammler ein und mache einen Probelauf. Die Maschine scheint einwandfrei zu funktionieren.

Wir setzen unsere letzten Escudos in Waren um, verabschieden uns von Karl-Heinz und Elisabeth und gehen in einem der zwei örtlichen Restaurants zum Essen. Am nächsten Morgen wollen wir dann unsere Atlantiküberquerung fortsetzen. Den zweiten Wassersammler aus Edelstahl lassen wir unfertig oder fertig an Land zurück. Unsere Dieselkanister haben wir allerdings komplett gefüllt.

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